Manuskript-Diät: 4 Wortarten, die du sofort streichen kannst, um deine Prosa zu stärken
Dein erster Entwurf ist fertig. Die Geschichte steht, die Charaktere haben ihr Ziel erreicht – aber irgendetwas fühlt sich nicht richtig an. Der Text wirkt aufgebläht, das Tempo stolpert und die emotionalen Momente treffen nicht so hart, wie sie sollten.
Wenn dir das bekannt vorkommt, ist es Zeit für den Rotstift. Oft sind es nicht große Plotholes, sondern kleine, unscheinbare "Killerwörter", die sich in unser Schreiben einschleichen und ihm die Kraft rauben. Wörter wie „wirklich“, „einfach“, „schön“ oder „dachte“ wirken harmlos, doch in der Masse verwässern sie deine Sätze und schaffen eine unnötige Distanz zum Leser.
Aber keine Sorge! Dein Manuskript braucht keine Radikalkur, sondern eine bewusste Diät. In diesem Beitrag zeigen wir dir vier Kategorien von Wörtern, die du gezielt aufspüren und eliminieren kannst, um dein Schreiben sofort prägnanter, direkter und kraftvoller zu machen.
1. Subjektive Adjektive: Die Falle des Behauptens
Wir alle nutzen sie in der Alltagssprache: Wörter, die ein Urteil fällen. Der Film war langweilig, das Essen eklig, der Garten schön. Das Problem? Diese Wörter behaupten nur etwas, anstatt es zu zeigen. Sie geben dem Leser eine Meinung vor, anstatt ihm zu erlauben, sich selbst ein Bild zu machen.
❌ Schwach: Der Garten war hässlich.
Diese Aussage ist eine leere Hülle. "Hässlich" kann für jeden etwas anderes bedeuten. Um deine Welt lebendig werden zu lassen, musst du die Beweise liefern.
✅ Stark: Gelbes Unkraut wucherte zwischen den rissigen Terrassenplatten und der Geruch von verfaulten Äpfeln hing schwer in der Luft.
Jetzt sehen und riechen wir die Szene. Wir kommen selbst zu dem Schluss, dass der Garten vernachlässigt und hässlich ist. Das ist der Unterschied zwischen Behaupten und Zeigen.
Wörter, auf die du achten solltest:
Hässlich / Schön
Nett / Unfreundlich
Langweilig / Faszinierend
Eklig / Lecker
Cool / Uncool
Erstaunlich / Gutaussehend
Dein Job: Finde diese Wörter in deinem Text und frage dich: Kann ich das stattdessen mit konkreten, sinnlichen Details beschreiben?
2. Persönliche Klischees: Deine unbewussten Wiederholungstäter
Jeder Autor hat sie: Phrasen, Bilder oder Handlungen, die aus reiner Gewohnheit immer wieder im Text auftauchen. Vielleicht lässt du deine Figuren ständig seufzen, mit den Schultern zucken oder schief lächeln.
Diese Wiederholungen fallen Lesern unweigerlich auf und lassen dein Schreiben vorhersehbar und weniger originell wirken. Das sind nicht die großen, bekannten Klischees, sondern deine ganz persönlichen.
Der beste Tipp dagegen? Werde zum Detektiv in deinem eigenen Text. Nutze die Suchfunktion (Strg+F oder Cmd+F) deines Schreibprogramms und suche nach Verben oder Adverbien, die du häufig zu verwenden scheinst. Suche nach „lächelte“, „nickte“, „plötzlich“, „leise“. Die Ergebnisse könnten dich überraschen!
3. Filterwörter: Die unsichtbare Wand zum Leser
Filterwörter sind Verben der Wahrnehmung, die eine unnötige Distanz zwischen dem Leser und dem Erleben der Figur schaffen. Sie filtern die Handlung durch das Bewusstsein der Figur, anstatt den Leser direkt daran teilhaben zu lassen.
❌ Gefiltert: Sie hörte die Vögel zwitschern. ✅ Direkt: Die Vögel zwitscherten.
❌ Gefiltert: Er fühlte, wie sein Herz schneller schlug. ✅ Direkt: Sein Herz schlug schneller.
In der direkten Version erlebt der Leser das Geschehen unmittelbar mit der Figur. In der gefilterten Version beobachtet er die Figur nur dabei, wie sie etwas erlebt. Dieser kleine Unterschied hat eine enorme Auswirkung auf die Unmittelbarkeit und die emotionale Wirkung deiner Szenen.
Natürlich gibt es Ausnahmen. Manchmal möchtest du vielleicht bewusst eine distanzierte, beobachtende Haltung erzeugen. Aber in 90 % der Fälle schwächen Filterwörter deinen Text.
Wörter, auf die du achten solltest:
dachte
wusste
glaubte
fragte sich
sah / schaute / beobachtete
hörte
fühlte
erkannte / realisierte
erinnerte sich
4. Füllwörter: Das leere Füllmaterial deiner Sätze
Das sind die kleinen, unnötigen Wörter, die Sätze aufblähen, ohne ihre Bedeutung zu verändern. Sie sind das sprachliche Äquivalent zu Schaumstoff-Verpackungsmaterial – sie nehmen Platz weg, haben aber kein Gewicht.
❌ Umständlich: Er war eigentlich irgendwie schlicht überrascht. ✅ Prägnant: Er war überrascht.
Auch hier gilt die Regel der bewussten Entscheidung. Manchmal kann ein „eigentlich“ oder „irgendwie“ perfekt zur Stimme einer zögerlichen Figur passen. Oft ist es aber nur Füllmaterial, das du ersatzlos streichen kannst, um deine Sätze schlanker und schlagkräftiger zu machen.
Kandidaten für die Streichliste:
Wirklich
Einfach
Im Grunde
Irgendwie
Eigentlich
Total
Sozusagen
Schlicht
Ganz
Fazit: Dein Weg zum kraftvollen Stil
Die Überarbeitung ist der Moment, in dem aus einem guten Text ein großartiger wird. Indem du diese vier Wortarten gezielt jagst, räumst du dein Manuskript auf und lässt deine eigentliche Geschichte klarer und heller erstrahlen.
Betrachte den Rotstift nicht als deinen Feind, sondern als dein schärfstes Werkzeug. Jeder Schnitt, den du machst, ist eine Entscheidung für mehr Klarheit, mehr Wirkung und einen stärkeren Stil.
Jetzt bist du dran! Welches Wort ist dein persönlicher "Wiederholungstäter"? Verrate es uns in den Kommentaren – du bist damit garantiert nicht allein!