Zwischen Begeisterung und gemischten Gefühlen – ein Buch mit viel Potenzial

Es gibt Bücher, die lassen mich mit einem klaren Gefühl zurück. Entweder ich bin begeistert und will allen davon erzählen, oder ich bin enttäuscht und lege sie frustriert zur Seite. Und dann gibt es Bücher wie "Schloss der tausend Spiegel", die mich zerrissen zurücklassen. Bücher, bei denen ich gleichzeitig denke: "Wow, das ist wirklich gut gemacht" und "Aber warum musste das so sein?" Genau über so ein Buch will ich heute schreiben.

Ich hatte mich auf dieses Buch gefreut. Wirklich gefreut. Dark Fantasy mit Beauty-and-the-Beast-Elementen ist sowieso meine Schwäche, und dann noch ein geheimnisvolles Schloss voller Spiegel, Monster in den Korridoren und eine Plussize-Protagonistin? Das klang nach genau der Art von Geschichte, die ich verschlingen würde. Und tatsächlich habe ich das Buch auch schnell durchgelesen. Aber danach saß ich da und wusste nicht so recht, wie ich damit umgehen soll.

Was das Buch richtig gut macht

Fangen wir mit dem Positiven an, denn davon gibt es tatsächlich eine ganze Menge. Der Weltenbau in diesem Buch ist herausragend. Ich lese wirklich viel Fantasy – beruflich und privat – und ich bin mittlerweile ein bisschen abgestumpft, was Settings angeht. Wie oft habe ich schon das x-te mittelalterliche Königreich mit generischer Magie gelesen? Zu oft. Aber das Schloss der tausend Spiegel fühlt sich anders an. Es hat diese besondere Atmosphäre, die mich sofort eingefangen hat.

Die Autorin schafft es, diese Balance zwischen Glamour und Grauen zu halten. Tagsüber glitzernde Bälle mit Champagner und Tanz, nachts finstere Kreaturen, die durch die Korridore streifen. Das ist nicht nur Kulisse, das ist Teil der Geschichte. Ich konnte das Silber und Eis förmlich vor mir sehen, konnte die Kälte spüren, die von den Wänden ausgeht. Solche visuellen Welten liebe ich an guter Fantasy – wenn ich das Gefühl habe, wirklich dort zu sein.

Der Schreibstil hat mich ebenfalls überzeugt. Die Autorin kann erzählen. Die Sätze fließen, die Atmosphäre wird dicht aufgebaut, ohne dass ich mich durch Seiten von Beschreibungen kämpfen muss. Die Dialoge wirken natürlich, haben Witz und Schlagfertigkeit. Das Pacing stimmt größtenteils – es gibt Momente der Ruhe und Momente der Spannung, und die Autorin weiß, wann sie was braucht. Die Dark-Fantasy-Elemente sind genau richtig dosiert. Nicht so düster, dass es unangenehm wird, aber auch nicht so zahm, dass es beliebig wirkt.

Die Grundgeschichte hat mich gepackt. Maren, die Prinzessin, die für ihr sterbendes Königreich den reichen, rätselhaften Lord Willjareth heiraten muss. Ein Mann, den sie kennt, den sie eigentlich nie wiedersehen wollte, und in dessen Schloss sie jetzt zurückkehren muss. Dazu die politischen Intrigen, die Geheimnisse, die Spannung zwischen den beiden Hauptcharakteren. Das ist solides Storytelling mit interessanten Wendungen.

Wo mein Lesegenuss ins Stocken kam

Und jetzt kommt das große Aber. Das Aber, das mich tagelang beschäftigt hat und über das ich wirklich nachgedacht habe, bevor ich diese Rezension geschrieben habe.

Ich hatte mich so gefreut auf eine Plussize-Protagonistin. In der Fantasy sind diverse Körpertypen immer noch die Ausnahme. Meistens haben wir schlanke, athletische Heldinnen, und wenn mal jemand anders aussieht, dann ist das entweder ein Nebcharakter oder wird gar nicht erst erwähnt. Dass Maren explizit als Plussize beschrieben wird, fand ich erstmal großartig. Endlich Representation! Endlich eine Protagonistin, mit der sich vielleicht mehr Leserinnen identifizieren können!

Aber je weiter ich gelesen habe, desto unwohler wurde mir. Und ich musste eine Weile darüber nachdenken, warum genau. Es ist nicht so, dass die Autorin Maren abwertend darstellt. Im Gegenteil, es ist klar, dass sie versucht, eine positive Message zu transportieren. Aber genau da liegt für mich das Problem: Es fühlt sich an wie eine Message, die transportiert werden soll. Und nicht wie eine authentische Charakterdarstellung.

Marens Gedanken kreisen ständig um ihren Körper. Wie sie wahrgenommen wird, ob sie attraktiv genug ist, ob Willjareth sie ansehen kann, ohne angewidert zu sein. Es gibt kaum eine emotionale Szene, in der ihr Körper nicht irgendwie zum Thema wird. Und ich verstehe – viele Menschen, besonders in einer Gesellschaft mit toxischen Schönheitsidealen, denken so über sich selbst. Das ist real. Aber in einer Fantasy-Welt, die komplett neu erschaffen wurde, hätte die Autorin die Chance gehabt, diese Dynamik aufzubrechen oder anders zu gestalten.

Stattdessen fühlt es sich oft so an, als wäre Marens Körper ein Problem, das sie überwinden muss. Oder mit dem sie sich abfinden muss. Die Momente, in denen sie sich selbst akzeptiert, wirken auf mich nicht wie organische Charakterentwicklung, sondern wie Checkpoints einer Body-Positivity-Agenda. "Okay, jetzt haben wir die Szene, in der sie sich gut fühlt. Check." Es fehlt die Natürlichkeit.

Und das zieht sich durch die ganze Geschichte. Auch die Liebesgeschichte wird davon überschattet. Willjareth ist als Charakter interessant, die Chemie zwischen ihm und Maren ist spürbar. Aber unterschwellig schwingt immer diese Frage mit: Kann er sie lieben, obwohl sie so aussieht? Findet er sie attraktiv, trotz ihres Körpers? Und das ist für mich kein "Er liebt sie, wie sie ist", sondern ein "Er liebt sie trotzdem". Das ist ein riesiger Unterschied.

Die Sache mit der Representation

Ich weiß, das klingt jetzt vielleicht hart. Und vielleicht bin ich auch besonders sensibel für solche Themen, weil ich beruflich viel mit Texten arbeite und mich mit Representation auseinandersetze. Aber genau deshalb finde ich es wichtig, darüber zu sprechen.

Representation ist nicht nur "Wir haben jetzt eine dicke Protagonistin". Representation ist, wie diese Protagonistin dargestellt wird. Welche Botschaften transportiert werden. Welche Narrative bedient oder aufgebrochen werden. Und hier merke ich: Die Autorin hat es versucht. Sie wollte etwas Gutes tun. Aber gute Intentionen reichen manchmal nicht.

Was ich mir gewünscht hätte? Dass Maren einfach existieren darf. Dass ihr Körper erwähnt wird, klar, aber nicht in jeder zweiten Szene thematisiert. Dass sie Abenteuer erlebt, Entscheidungen trifft, kämpft und liebt, ohne dass ständig die Frage im Raum steht, ob ihr Körper dabei ein Hindernis ist. Dass die anderen Charaktere sie als Person wahrnehmen, nicht als "die Dicke".

Es gibt Bücher mit Plussize-Protagonistinnen, die das hinbekommen. Wo der Körper Teil der Identität ist, aber nicht die gesamte Identität definiert. Wo Body Positivity nicht als Plotpunkt funktioniert, sondern als selbstverständliche Grundlage. Und genau das fehlt mir hier.

Trotzdem kein schlechtes Buch

Jetzt klingt das alles sehr kritisch, und ich will nicht, dass der Eindruck entsteht, das Buch wäre schlecht. Das ist es nämlich nicht. Technisch ist es wirklich gut geschrieben. Der Weltenbau ist fantastisch, die Atmosphäre stimmt, der Plot funktioniert. Ich habe das Buch gerne gelesen, auch wenn ich mich manchmal geärgert habe.

Und ich werde die Reihe definitiv fortsetzen. Der Cliffhanger hat gesessen, ich will wissen, wie es weitergeht. Ich bin neugierig, ob sich die Darstellung in den Folgebänden entwickelt, ob die Autorin vielleicht auf Feedback reagiert hat. Vielleicht wird es besser. Vielleicht aber auch nicht, und dann weiß ich zumindest, wie die Geschichte ausgeht.

Was mich am meisten beschäftigt: Dieses Buch zeigt, wie schwierig es ist, marginalisierte Charaktere gut zu schreiben. Es reicht nicht, einfach eine diverse Besetzung zu haben. Man muss sich auseinandersetzen mit den Themen, mit den eigenen Vorannahmen, mit den Narrativen, die man unbewusst reproduziert. Und manchmal – so ehrlich muss man sein – braucht es Sensitivity Reader. Menschen, die aus eigener Erfahrung sprechen können und sagen: "Hey, das fühlt sich nicht richtig an."

Mein Fazit in Sternen und Gedanken

Ich gebe dem Buch 3,5 Sterne. Keine Durchschnittswertung im Sinne von "meh, war okay". Sondern 3,5 Sterne, weil große Stärken auf Aspekte treffen, mit denen ich gehadert habe. Wenn ich nur den Weltenbau und das Handwerk bewerten würde, wären es 4,5 Sterne. Wenn ich nur die Darstellung der Body-Thematik bewerten würde, wären es vielleicht 2,5. Und irgendwo dazwischen lande ich bei 3,5.

Das ist kein Buch, das ich uneingeschränkt empfehlen kann. Aber es ist auch keins, von dem ich abraten würde. Es kommt darauf an, was ihr sucht. Wenn euch atmosphärischer Weltenbau wichtig ist, Dark Fantasy mit Beauty-and-the-Beast-Elementen, politische Intrigen und Monster – dann könnt ihr hier zugreifen. Wenn euch authentische, sensible Plussize-Representation wichtig ist, würde ich euch bitten, mit Vorsicht ranzugehen.

Und vielleicht ist genau das die wichtigste Erkenntnis: Wir brauchen mehr diverse Fantasy. Mehr unterschiedliche Körper, mehr unterschiedliche Geschichten. Aber wir brauchen sie gut geschrieben. Mit Sensibilität, mit Recherche, mit dem Bewusstsein, dass Representation Verantwortung bedeutet.

Was sind eure Gedanken dazu? Habt ihr das Buch gelesen? Wie habt ihr die Darstellung empfunden? Und generell: Wie wichtig ist euch Representation in Fantasy, und wo zieht ihr die Grenze zwischen "gut gemeint" und "gut gemacht"?

Ich bin wirklich gespannt auf eure Meinungen – gerade bei so einem komplexen Thema hilft mir der Austausch immer, meine eigenen Gedanken zu sortieren.

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